Wie eine Syrerin im Libanon Flüchtlingskinder strahlen lässt
Text: Steffi Dobmeier, Berliner Morgenpost, erschienen am 16. September 2018 Fotos: Steffi Dobmeier und Ulrich Gernhardt
Ghada aus Syrien hat im Libanon eine Schule für Flüchtlingskinder gegründet. Unterstützt wird sie von der Kindernothilfe.
Ghazzé. Wenn sie könnte, dann würde Ghada die Koffer packen, sich ihre fünf Kinder schnappen und zurück nach Syrien gehen. Von dem kleinen Ort Ghazzé im Nordosten des Libanons, wo sie seit drei Jahren lebt, sind es nur etwa 15 Kilometer bis zur Grenze, immer Richtung Berge. Dann wären sie wieder zu Hause. Aber Zurückkehren ist keine Option, zumindest noch nicht. „Jeder, der aus Syrien geflüchtet ist, muss Angst haben zurückzukehren“, sagt die 41-Jährige. Geflüchtete gelten dem Regime von Machthaber Bashar Al-Assad als Verräter. Egal ob jung oder alt, Frau oder Mann.
Viele der Männer sind inhaftiert, verschollen – oder tot
Die Schule ist Hilfe zur Selbsthilfe
„Klatscht für Elif“, ruft Lehrer Osama Sisi vorn an der Tafel auf Englisch. Das Mädchen hat richtig auf seine Frage geantwortet und bekommt nun Applaus der anderen Kinder. Elif strahlt - und der 31-Jährige Sisi ist glücklich. Er kommt auch aus Syrien, wie seine Schüler, hat auch dort als Lehrer gearbeitet. Nun ist er in Ghazzé. „Ich wollte nicht zum syrischen Militär, wollte nicht für die Armee von Assad kämpfen“, sagt er. Deshalb ist er in die kleine Gemeinde in der Bekaa-Ebene geflohen.
Ghadas Schule ist Hilfe zur Selbsthilfe. Für die etwa 280 Kinder, die hier lernen und spielen können - aber auch für die rund 20 Lehrerinnen und Lehrer, die fern der Heimat eine neue Aufgabe gefunden haben.
Projekt wird von der Kindernothilfe finanziert
Die deutsche Schauspielerin Natalia Wörner ist Botschafterin der Kindernothilfe für das Projekt. Sie hat die Entwicklung im Libanon in den vergangenen Jahren „mit großer Aufmerksamkeit verfolgt, vor allem aufgrund der brisanten Flüchtlingsthematik“, wie sie sagt. Vor zwei Jahren war sie zum ersten Mal dort, in diesem Juli noch einmal. „Die Problematik hat sich verschärft.“ Ein Projekt, wie das von Ghada, sei da noch beeindruckender, sagt Wörner.
Gemeinde hat 6.000 Einwohner - und nahm fast 20.000 Flüchtlinge auf
Ghada hat schon in Syrien eine alternative Schule gegründet
Geflohen aus der Oppositionshochburg Zabadani
Ghada und ihr Familie kommen aus Zabadani, etwa 30 Kilometer nördlich von Damaskus. Die Stadt mit damals etwa 45.000 Einwohnern war lange Zeit Oppositionshochburg. Mit friedlichen Protesten hatte 2011 alles angefangen. Aber friedlich blieben sie nicht lange. Das Regime schritt ein, belagerte die Stadt, die Menschen demonstrierten weiter. Auch Ghada, ihr Mann, ihre Geschwister, deren Männer und Frauen, ihr Onkel, ihre Eltern. So wurden sie Zielscheibe des Militärs.
2012 wurde ihr Mann verhaftet, kam in ein Gefängnis. Gesehen hat Ghada ihn nicht mehr. Ob er überhaupt noch lebt? Sie weiß es nicht. „Meinen Kindern sage ich, dass er irgendwann wiederkommt, aber ich selbst bin mir da nicht mehr sicher.” Irgendwann hat sie es nicht mehr ausgehalten und floh ins Nachbarland.
Kein Militär, kein Blut, kein Kriegslärm, keine Checkpoints
Ob sie oft darüber nachdenkt, nach Syrien zurückzukehren? „Jeden Tag“, sagt sie da. „Aber solange Assad an der Macht ist, sind es nur Gedanken.“